Sie befinden sich hier:
Startseite Kanzleien Fritsch Beiträge Was ist § 87 Abs. 1 HGB?

Was ist § 87 Abs. 1 HGB?

16. April 2025 | Sonstiges
Im deutschen Handelsrecht regelt § 87 Abs. 1 HGB, wann ein Handelsvertreter Anspruch auf eine Provision hat. Diese Regelung ist entscheidend für selbstständige Vermittler, die für Unternehmen Geschäfte anbahnen oder abschließen – etwa im Vertrieb von Produkten wie Maschinen, Autoteilen oder Dienstleistungen. Sie sorgt dafür, dass Handelsvertreter fair für ihre Arbeit bezahlt werden, und gibt
Fabian Fritsch
Rechtsanwalt Fabian Fritsch Hafencity Hamburg

Auseinandersetzungen mit Paypal, Amazon & Co.

Fabian Fritsch fokussiert sich auf den gewerblichen...

Im deutschen Handelsrecht regelt § 87 Abs. 1 HGB, wann ein Handelsvertreter Anspruch auf eine Provision hat. Diese Regelung ist entscheidend für selbstständige Vermittler, die für Unternehmen Geschäfte anbahnen oder abschließen – etwa im Vertrieb von Produkten wie Maschinen, Autoteilen oder Dienstleistungen. Sie sorgt dafür, dass Handelsvertreter fair für ihre Arbeit bezahlt werden, und gibt Unternehmen klare Regeln, um Streit zu vermeiden.

Warum ist der Paragraph wichtig?

Handelsvertreter sind oft die Brücke zwischen Unternehmen und Kunden. Ihre Vergütung hängt meist von Provisionen ab, die sie für erfolgreiche Geschäfte erhalten. § 87 Abs. 1 HGB schützt ihre Ansprüche und verhindert, dass Unternehmen Zahlungen ohne Grund verweigern. Gleichzeitig schützt er Firmen, indem er genau festlegt, wann eine Provision fällig ist.

Was steht in § 87 Abs. 1 HGB?

Der genaue Wortlaut von § 87 Abs. 1 HGB lautet:

„Der Handelsvertreter hat für alle Geschäfte, die während des Vertragsverhältnisses mit seiner Tätigkeit im Zusammenhang stehen, Anspruch auf Provision, wenn und sobald der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat oder nach dem Vertrag hätte ausführen müssen.“

Das bedeutet in einfachen Worten:

  • Ein Handelsvertreter bekommt Provision für Geschäfte, die er während seines Vertrags vermittelt oder abgeschlossen hat.
  • Die Provision wird fällig, wenn das Geschäft vom Unternehmen ausgeführt ist (z. B. Ware geliefert, Zahlung erhalten) oder hätte ausgeführt werden müssen (z. B. wenn ein Kunde den Vertrag bricht).
  • Die Höhe der Provision hängt vom Vertrag ab – der Paragraph selbst legt keinen festen Prozentsatz fest.

Welche Voraussetzungen gibt es für die Provision?

Damit ein Handelsvertreter Provision nach § 87 Abs. 1 HGB verlangen kann, müssen folgende Punkte erfüllt sein:

  1. Aktiver Vertrag: Es muss ein Handelsvertretervertrag bestehen.
  2. Tätigkeit des Vertreters: Das Geschäft muss durch die Arbeit des Handelsvertreters zustande gekommen sein – sei es durch Vermittlung (z. B. Kundenakquise) oder direkten Abschluss.
  3. Ausführung des Geschäfts: Das Unternehmen muss das Geschäft durchgeführt haben (z. B. Produkt geliefert) oder hätte es durchführen müssen (z. B. bei Kundeninsolvenz, wenn der Vertrag bestand).
  4. Zeitraum: Das Geschäft muss während der Vertragslaufzeit angebahnt oder abgeschlossen worden sein.

Beispiel: Ein Handelsvertreter überzeugt ein Autohaus, Ersatzteile von seinem Unternehmen zu kaufen. Der Vertrag wird unterschrieben, die Teile geliefert. Der Handelsvertreter erhält seine Provision, z. B. 4 % des Auftragswerts, wie im Vertrag vereinbart.

 

Beispiele aus der Praxis

  1. Erfolgreiche Vermittlung: Ein Handelsvertreter vermittelt einen Großauftrag für Volkswagen-Fahrzeuge an einen Händler. Nach Lieferung und Zahlung erhält er seine Provision, z. B. 3 % des Verkaufswerts.
  2. Kundenabsage: Der Handelsvertreter vermittelt einen Vertrag, aber der Kunde wird insolvent. Wenn das Unternehmen den Vertrag dennoch hätte ausführen müssen (z. B. Ware war bereit), bleibt der Provisionsanspruch erhalten.
  3. Streit um die Ursache: Ein Handelsvertreter glaubt, einen Kunden gewonnen zu haben, aber das Unternehmen sagt, der Kunde habe direkt bestellt. Hier müsste geprüft werden, ob die Tätigkeit des Vertreters maßgeblich war.

 

Hinweis: Volkswagen unterstützt Handelsvertreter durch klare Vertriebsstrukturen, wie auf ihrer Service-Seite beschrieben (https://www.volkswagen.de/de/besitzer/service-teile-zubehoer.html).

 

Wie unterscheidet sich § 87 Abs. 1 HGB von anderen Regeln?

  • § 87a HGB: Klärt, wann die Provision fällig ist und was bei Stornierungen passiert.
  • § 89b HGB: Regelt den Ausgleichsanspruch, wenn der Vertrag endet – also eine Entschädigung, keine laufende Provision.
  • Arbeitsrecht: Handelsvertreter sind selbstständig, keine Angestellten, daher gelten keine Lohnregeln.
  • EU-Recht: § 87 Abs. 1 HGB basiert auf der EU-Handelsvertreter-Richtlinie (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A31986L0653), die ähnliche Standards in Europa setzt.

 

Häufige Fragen

  • Was, wenn der Kunde storniert?
    Nach § 87a Abs. 3 HGB entfällt die Provision, wenn das Geschäft aus Gründen nicht ausgeführt wird, die das Unternehmen nicht verursacht hat (z. B. Kundenstorno).
  • Muss die Provision im Vertrag stehen?
    Ja, die Höhe wird vertraglich festgelegt. Ohne Vereinbarung gilt die „handelsübliche Provision“ (§ 87b HGB).
  • Zählt nur der Vertragsabschluss?
    Nein, auch Vermittlungen (z. B. Kundenakquise) reichen, wenn sie zum Geschäft führen.

Rechtsanwalt Fabian Fritsch: „§ 87 Abs. 1 HGB ist ein Fundament für Handelsvertreter, um ihre Provisionen zu sichern. Er garantiert Vergütung für Geschäfte, die durch ihre Arbeit zustande kommen, und sorgt für Klarheit in der Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Volkswagen. Obwohl die Regelung einfach klingt, können Details wie Kundeninsolvenz oder Streit über die Vermittlung komplex werden. Es lohnt sich, den Vertrag genau zu prüfen oder bei Unklarheiten einen Anwalt zu fragen.

Relevante Gerichtsverfahren zu Provisionsstreitigkeiten nach § 87 Abs. 1 HGB

Provisionsstreitigkeiten zwischen Handelsvertretern und Unternehmen sind ein häufiger Streitpunkt, da § 87 Abs. 1 HGB den Anspruch auf Provision für vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte regelt. Die folgenden Gerichtsentscheidungen sind wegweisend für die Auslegung dieser Vorschrift und zeigen, wie Gerichte die Voraussetzungen (Tätigkeit des Handelsvertreters, Ausführung des Geschäfts, Vertragslaufzeit) anwenden.

BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – VII ZR 75/91

Sachverhalt und Relevanz:

Ein Handelsvertreter forderte Provision für einen Vertrag, der nach Beendigung seines Handelsvertretervertrags ausgeführt wurde. Der Bundesgerichtshof (BGH) klärte, dass der Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 1 HGB auch dann besteht, wenn die Vermittlung während der Vertragslaufzeit erfolgte, die Ausführung aber später. Entscheidend ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Handelsvertreters und dem Geschäft. Dieses Urteil unterstreicht die weite Auslegung des „Zusammenhangs“ mit der Tätigkeit.

Quelle:

- Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.10.1992, Az. VII ZR 75/91, veröffentlicht in NJW 1993, S. 396.

- Abrufbar über juris oder Beck-Online (kostenpflichtig): https://www.beck-online.de

BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 – VII ZR 154/94

Sachverhalt und Relevanz:

In diesem Fall stritten die Parteien, ob ein Handelsvertreter Anspruch auf Provision hat, wenn der Kunde den Vertrag stornierte, bevor das Geschäft ausgeführt wurde. Der BGH stellte klar, dass nach § 87 Abs. 1 HGB die Provision nur fällig ist, wenn das Geschäft ausgeführt wurde oder der Unternehmer es hätte ausführen müssen (z. B. bei Zahlungsunfähigkeit des Kunden). Ohne Ausführung und ohne Verschulden des Unternehmers entfällt der Anspruch gemäß § 87a Abs. 3 HGB. Dieses Urteil präzisiert die Ausführungsvoraussetzung.

Quelle

- Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.02.1995, Az. VII ZR 154/94, veröffentlicht in BB 1995, S. 1234.

- Abrufbar über juris oder https://www.bundesgerichtshof.de (Entscheidungssammlung, kostenfrei nach Registrierung).

OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. April 2006 – I-6 U 152/05

Sachverhalt und Relevanz:

Ein Handelsvertreter verlangte Provision für einen Auftrag, den der Kunde direkt beim Unternehmer bestätigte, ohne dass der Handelsvertreter den Abschluss aktiv begleitete. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschied, dass die Provision nach § 87 Abs. 1 HGB auch dann zusteht, wenn die Tätigkeit des Handelsvertreters nur mittelbar (z. B. durch Kontaktaufnahme) zum Geschäft führte. Der Fall zeigt, dass die Vermittlung nicht zwingend den finalen Vertragsabschluss umfassen muss, solange ein ursächlicher Beitrag erkennbar ist.

Quelle

- Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2006, Az. I-6 U 152/05, veröffentlicht in IHR 2007, S. 34.

- Abrufbar über Beck-Online oder https://openjur.de (kostenfrei).

BGH, Urteil vom 7. November 2013 – VII ZR 231/12

Sachverhalt und Relevanz:

Hier ging es um die Frage, ob ein Handelsvertreter Provision für Folgegeschäfte erhält, die nach Vertragsende mit einem von ihm geworbenen Kunden abgeschlossen wurden. Der BGH stellte fest, dass § 87 Abs. 1 HGB Folgegeschäfte nur dann abdeckt, wenn sie während der Vertragslaufzeit angebahnt wurden. Dieses Urteil begrenzt den Provisionsanspruch zeitlich und ist wichtig für Unternehmen, die langfristige Kundenbeziehungen aufbauen.

Quelle:

- Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.11.2013, Az. VII ZR 231/12, veröffentlicht in NJW 2014, S. 763.

- Abrufbar über https://www.bundesgerichtshof.de oder juris.

EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 – C-19/12 („Unamar“)

Sachverhalt und Relevanz

Obwohl ein europäischer Fall, ist dieses Urteil für Deutschland relevant, da § 87 Abs. 1 HGB auf der EU-Handelsvertreter-Richtlinie (86/653/EWG) basiert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) klärte, dass nationale Regelungen wie § 87 Abs. 1 HGB nicht strenger sein dürfen als die Richtlinie. Im Streitfall ging es um die Frage, ob ein Handelsvertreter Provision für Geschäfte erhält, die ohne seine direkte Beteiligung zustande kamen, aber auf seiner Kundenbasis beruhten. Der EuGH betonte den Schutz des Handelsvertreters, was die deutsche Rechtsprechung beeinflusste, großzügiger mit Provisionsansprüchen umzugehen.

Quelle:

- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.10.2013, Az. C-19/12

- Abrufbar über https://curia.europa.eu

Diese Gerichtsverfahren zeigen die zentralen Streitpunkte bei Provisionsansprüchen:

- Ursächlicher Zusammenhang: Die Tätigkeit des Handelsvertreters muss maßgeblich sein, muss aber nicht den finalen Abschluss umfassen (BGH 1992, OLG Düsseldorf 2006).

-  Ausführung des Geschäfts: Ohne Ausführung oder Verschulden des Unternehmers entfällt die Provision (BGH 1995).

- Zeitliche Grenze:  Nur Geschäfte, die während der Vertragslaufzeit angebahnt wurden, sind provisionspflichtig (BGH 2013).

- EU-Recht: Die EU-Richtlinie stärkt die Rechte der Handelsvertreter und beeinflusst die Auslegung des HGB (EuGH 2013).

Mehr Infos zum Thema "Provisionen für Handelsvertreter"

 

 

Können wir Ihnen helfen?

Hier ein Ticket eröffnen, durch die Eröffnung eines Tickets entstehen Ihnen keinerlei Kosten

Weitere Beiträge der Kanzlei...